Wir möchten nicht gegessen werden

Früh war es, als wir uns zum Flughafen aufmachten, um unseren Rückweg nach Australien anzutreten. Nach 20 wunderschönen Tagen fiel es uns gar nicht mal so leicht, uns von Neuseeland zu trennen. Auf der anderen Seite waren wir aber natürlich auch gespannt auf unser nächstes Reiseziel: Die sonnig heiße Stadt Cairns im Norden Australiens. Die Reise dorthin sollte sich zu einer kleinen Odyssee entwickeln, denn bei unserem Zwischenstopp in Brisbane war der Flughafen derart mit Menschenmassen geflutet, dass wir die 3 Stunden unseres Aufenthaltes tatsächlich damit verbrachten, uns quälend langsam durch die Sicherheitskontrollen zu zwängen. Als wir uns endlich zu unserem Gate durchgeschlagen hatten, war es zu spät, um noch an Bord unseres Anschlussfliegers gelassen zu werden. Also wurden wurden wir (wie etliche andere Reisende ebenfalls) auf den nächsten Flug umgebucht. Damit waren nochmal 5 Stunden Warten angesagt. Yeah! Ihr könnt euch vorstellen, dass wir froh waren, als wir endlich wieder im Flugzeug saßen. Als wir dann kurz vor der Landung noch einen Blick auf Teile des Great Barrier Reefs werfen konnten, war der ganze Kuddelmuddel sogar ziemlich flott vergessen.

In Cairns angekommen, mussten wir erstmal feststellen, dass uns Neuseeland ziemlich verweichlicht hat. Die Hitze und besonders die Luftfeuchtigkeit ließ uns nämlich fast aus den Latschen kippen. Glücklicherweise waren die Taxi-Preise erfreulich niedrig und so fanden wir uns im Handumdrehen in unserer Unterkunft wieder, wo auch schon unser bester neuer Freund (die Klimaanlage) fröhlich vor sich hin brummte. Bei 36°C und einer Luftfeuchtigkeit über 80% hebt solch ein wundervolles Gerät die Laune besser als jedes Psychopharmaka.

Nach unserem dreiwöchigen Road Trip freuten wir uns nun, endlich mal wieder mehr als 2 oder 3 Nächte an einem Ort zu verbringen. Somit nahmen wir dann auch die Tatsache in Kauf, dass man nichts Essbares im Zimmer rumliegen lassen durfte, da ansonsten innerhalb von Sekunden eine kleine Ameisenkolonie heranmarschierte, um den Rohstoff abzubauen. Aber hey – dafür war das Zimmer günstig. Auf unserer ersten kleinen Erkundungstour entdeckten wir sehr schnell den Pool des Resorts. Naja, was soll man sagen. Außer am Wochenende war dort trotz toller Idylle, angrenzender Bar und wundervollem Wasser kein Mensch zu sehen. Marie und ich hatten den ganzen Bereich quasi ständig für uns allein und verbrachten somit viele Stunden an unserem (fast) persönlichen Pool. Es grenzt beinahe schon an ein Wunder, dass uns während dieser Zeit keine Schwimmflosssen gewachsen sind.

Wenn wir uns aus dem Wasser herauswagten, erkundeten wir immer mal wieder die Stadt. Da momentan Regenzeit und somit Nebensaison ist, wirkt Cairns ein wenig ausgestorben. Allerdings können wir nicht so wirklich begreifen, warum die Leute den Norden um diese Zeit so meiden. Okay, der Begriff Regenzeit suggeriert, dass es den ganzen Tag schüttet. Die Realität sieht jedoch völlig anders aus. Die meisten Wolkenbrüche ereignen sich nachts und das auch nicht am laufenden Band. Tatsächlich ist das Wetter die meiste Zeit wunderschön. So wunderschön, dass man häufig schon wieder dankbar für ein paar Wolken ist. Und na klar – durch die hohe Luftfeuchtigkeit kleben einem die Klamotten schnell am Leib. Aber uns ist dieses feuchte Klima zum Überleben eigentlich lieber als etwa die trockene Hitze, die wir in Melbourne erlebt haben. Dort hat sich angefühlt, als würde man knusprig gebacken. Hier wird man eher schonend dampfgegart.

Auch wenn die großen Touristenmassen ausbleiben, ist in Cairns immer noch genug los. Es gibt unzählige Cafes, Restaurants oder sonstwelche kleinen Läden am Straßenrand, die immer mal wieder zum Vorbeischauen einladen. Wenn einem unterwegs zu heiß wird, wäre es natürlich naheliegend, sich im Meer abzukühlen. Da das jedoch nicht gerade ungefährlich ist bzw. durch die Ebbe ebenfalls erschwert werden kann, gibt es die Cairns Esplanade Lagoon. Dabei handelt es sich im Prinzip um ein kostenloses Freibad direkt an der Küste aber eben davon abgetrennt. Dort kann man im klaren Wasser planschen, auf der Wiese faulenzen oder (wenn einem die Hitze noch nicht genug ist) eine kleine Grillparty veranstalten. Eines muss man den Australiern also definitiv lassen: Entspannen können sie.

Am 10. Februar war es dann soweit. Marie und ich durften einen VIP bei uns begrüßen. Unsere Studien-Freundin Andrea hatte es nämlich ebenfalls nach Australien verschlagen (Sie gibt uns und unserem Blog zumindest eine Teilschuld dafür). Nach ihren ersten 10 Tagen in Melbourne stieß sie also zu uns. Nach einer kleinen Begrüßungszeremonie mit Party-Tröten und bunten Luftballons mussten natürlich erstmal Erfahrungen, Eindrücke und so weiter ausgetauscht werden. Andreas erste Eindrücke deckten sich sehr oft mit unseren Erfahrungen. Nur beim Thema Vegimite wurden wir uns nicht einig. Während Andrea die Vorliebe der Australier für diesen Kräuter-Aufstrich-Wasauchimmer durchaus entgegen kommt, können Marie und ich immer noch nicht begreifen, dass Leute das freiwillig essen. Über Geschmack lässt sich eben streiten 🙂

Natürlich mussten wir Andrea erstmal in die Stadt schleifen und ihr alles Überlebenswichtige zeigen. Dazu gehörte auch ein kleiner Laden, der sich Sushi Train nennt und Marie immer wieder ein freudiges Quietschen entlockt (bei mir ist es eher ein wohliges Brummen). Natürlich gibt es ähnliche Läden auch in Deutschland – leider eben nur seltener und lange nicht so lecker. Zum echten Sushi-Fan bin ich jedenfalls erst in Australien geworden.

Was macht man in Cairns am Besten nach einem kleinen Sushi-Festmahl? Genau! Man geht weiter hinein in die Innenstadt und feiert das chinesische Neujahr. Hier gab es Trommeln, Tänzer, Schwertkämpfer, Akrobatik und viel, viel zu Essen (gut, dass wir bereits satt waren). Viele traditionelle Vereine aus der aisatischen Gemeinde in Cairns hatten Stände oder mischten beim Programm auf den zwei Bühnen mit. So gab es etwa die als chinesische Löwen kostümierten Jungs und Mädels, welche (passend zum Jahr des Affen 2016) von einer jungen Frau in Primaten-Maske angestachelt wurden und Geld-Opfergaben aus den Händen des Publikums verspeisten. Yammie! Und auch der obligatorische chinesische Drache durfte nicht fehlen. Eine Crew aus fast einem Dutzend Leuten hauchte dem fliegenden Ungetüm Leben ein und war nach der zehnminütigen Darbietung dann auch sichtlich aus der Puste. Diese Art Tradition und Kultur wirklich zu feiern, ist fantastisch und hat uns alle drei gleichermaßen begeistert.

Nach so vielen Eindrücken und Menschenmassen zog es uns zu einem kleinen Road Trip weiter nördlich. Cape Tribulation erwartete uns nämlich. Nach einer ca. dreistündigen Autofahrt entlang der Küste und einer Flussüberquerung mit der Fähre kamen wir an unserer kleinen Unterkunft mitten im Regenwald an und mussten an der Rezeption erstmal den Manager per Walkie-Talkie anfunken, um unsere Schlüssel entgegenzunehmen. Bei der Unterkunft handelte es sich um einen schlichten 5-Bett-Schlafsaal. Marie und ich hatten ja schon in Sydney nicht unbedingt schöne Erfahrungen mit solchen Schlafbunkern gemacht aber zu dritt und in der Nebensaison hofften wir, das Ding vielleicht sogar für uns alleine zu haben. Das Ergebnis war ein gemischter Erfolg. Zwar blieben uns weitere menschliche Zimmergenossen erspart aber als Marie abends nochmal lustig ins Bad marschierte und kurz darauf ihr gellender Schrei die Luft zerriss, war klar: Wir hatten doch noch Besuch.

„Ka…ker…lake“, brachte Marie noch wimmernd hervor, bevor die Ohnmacht sie umarmte. Nein, ich übertreibe natürlich. Vielmehr hat sie verstört auf dem Bett gekauert (Andrea nebendran), bis ich endlich ins Bad marschierte. „Kakerlake, pah“, dachte ich. Doch als dieses Mops-Insekt plötzlich auf mich zu gallopierte, überkam mich ebenfalls ein leichter Ekel. Die Kakerlake überkam anschließend mein Schuh. Sorry, das war wirklich purer Reflex.

Glücklicherweise erwies sich diese Begegnung als Einzelfall. Wahrscheinlich auch, weil ich danach einige Ritzen und Löcher unserer Unterkunft großflächig mit Gaffa Tape abklebte (immer wieder praktisch). Zwar huschten immer mal wieder ein paar Geckos an den Decken und Fenstern entlang aber die waren ja schon wieder total putzig. Auf dem Weg zum obligatorischen Pool begegneten wir dann ein paar wilden Scrubfowls, die wie Hühner in der Erde umherscharrten. Dass wir den besagten Pool fast schon gewohnheitsmäßig zu unserem Revier erklärten, sei hier nur am Rand erwähnt.

Während der nächsten Tage erkundeten wir also die Gegend. Wir wanderten durch Mangrovenwälder, begegneten gruselig riesigen Spinnen und anderen Insekten. Gerne hätten wir uns am Strand auch mal in die Fluten geworfen aber das ist ja im Norden so eine Sache… Wenn man nämlich eher vermeiden möchte, auf der Speisekarte eines Krokodils zu landen, sollte man lieber etwas Abstand vom Wasser nehmen. Überall weisen Schilder darauf hin, dass durchaus mit den lauernden Riesenechsen zu rechnen ist. Daneben besteht zudem auch noch die Chance Bekanntschaft mit der sogenannten Würfelqualle zu machen. Mit Bekanntschaft meine ich in diesem Fall, dass man bei Berührung mit den unsichtbaren aber meterlangen, giftigen Nesseln 2 – 3 Minuten unvorstellbare Schmerzen durchleidet und anschließend vom Schock stirbt. Ja, äh, wir waren ganz zufrieden damit, das Meer nur anzugucken.

Wir hoffen, ihr habt jetzt keine Angst bekommen. Es gibt ja genug Leute, die denken, dass alles in Australien einen umbringen will. In Wirklichkeit ist das Zauberwort aber einfach Respekt. Solange man nachdenkt und sich nicht wie ein Irrer aufführt, ist man meist schon auf der sicheren Seite. Außerdem gibt es überall genug Schilder, die einen penibel über Gefahren aufklären.

Aber da wird gerade davon sprechen: So ein Krokodil würden ja irgendwie trotzdem schon gerne sehen. Am besten in Sicherheit von einem Boot aus, ohne Gefahr zu laufen, verspeist zu werden. Gut, dass es dafür an der Nordküste genug Gelegenheiten gibt. So führte uns unser Weg eines Morgens zum Crocodile Express. Unterwegs begegneten wir noch einem Cassowary-Männchen samt Jungtier. Diese riesigen Laufvögel sind (wie sollte es anders sein) nicht ungefährlich. Als wir dem Paar auf einer Brücke begegneten, blieben beide jedoch ganz entspannt. Erst als wir mit dem Auto zurücksetzten, stolzierten Vater und Kind an unserem Gefährt vorbei ins Unterholz. Der Tag hatte an diesem Punkt also bereits mit vielen „Oohs“ und „Aahs“ begonnen. Wunderbar.

Kurze Zeit später fanden wir uns bereits mit dem Crocodile Express auf dem Daintree River wieder. Netterweise beinhaltete unser Angebot gleich zwei Touren. Unser Guide versorgte uns mit wissenswerten Informationen über die Eigenarten dieses Lebensraums und auch mit einigen Geschichten über die Ignoranz der Touristen. So erzählte er uns von einem Mann, der sich nach einer Krokodil-Tour völlig unbesonnen die Füße im Fluss wusch und von einem anderen der samt Kamera sogar ganz hinein fiel. Das hört sich jetzt vielleicht lustig an aber auf dem Boot hat definitiv niemand gelacht.

Es dauerte nicht lange und wir konnten das erste Krokodil erspähen. 4 Meter lang ragte das schuppige Ungetüm aus dem Wasser, tauchte jedoch flott wieder ab. Da die Temperaturen derzeit zu heiß für die Tiere sind, verbringen sie sehr viel Zeit im kühleren tiefen Wasser oder eben an schattigen Plätzen am Ufer. So erspähten wir den auf ca. 70 Jahre geschäzten riesigen „Scarface“ gut versteckt im Gebüsch.

Nach einer kleinen Stärkung im Daintree Village ging es dann auf zur zweiten Tour etwas weiter landeinwärts. Unser Tourguide hier, der ebenfalls gebürtiger Deutscher war, stellte uns noch kurz einen befreundeten Fischer namens Lex vor, dem man nicht alles glauben durfte. Etwa seine Antwort auf die Frage einer norwegischen Touristen, ob er an diesem Morgen denn schon ein Krokodil erspähen konnte.

Krokodile? Seid ihr irre? Ich hab hier seit 7 Jahren kein Krokodil mehr gesehen. – Lex

Natürlich war das nur Quark. Die örtlichen Bauern hätten das wohl nur bestätigt. Denn wie Unser Guide uns erklärte, erbeuten die Krokodile durchaus gerne auch mal die eine oder andere Kuh, die sich zum Trinken ans Wasser wagt. Die Krokodile in diesem Abschnitt des Flusses hielten sich natürlich ebenfalls in schattigen Dickichten auf. Dennoch war ihr Anblick durchweg faszinierend.

Nach so vielen Erlebnissen waren unsere 3 Tage am Cape Tribulation dann auch schon wieder vorbei und wir traten den Rückweg nach Cairns an. Somit also auf zu unseren letzten Tagen in Australien!

2 Antworten zu “Wir möchten nicht gegessen werden

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